Langzeitarbeitslose: Eigenbetrieb des Kreises bleibt Anlaufstelle

Berichterstattung aus dem Bergsträßer Anzeiger vom 18.12.2009

Der Weg zurück in den Job führt über neue Wege

Von unserem Redaktionsmitglied Karl-Heinz Schlitt

Bergstraße. Der Hartz IV-Eigenbetrieb “Neue Wege” wird im Kreis Bergstraße zu einer Dauereinrichtung. Zwar gibt es noch kein Bundesgesetz, das die unbefristete Fortführung des so genannten Optionsmodells über den 31.12.2010 hinaus regelt. Die politischen Absichtserklärungen aber sind eindeutig: Der Landkreis behält auf Dauer die Zuständigkeit für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen sowie die Auszahlung sozialer Transferleistungen für diese Personengruppe und ihre Familien. Das gilt für alle 69 Landkreise und Städte, die vor viereinhalb Jahren mit ihrem organisatorischen und konzeptionellen Gegenentwurf zu den Arbeitsgemeinschaften der Bundesagentur für Arbeit und der Sozialämter (ARGE) an den Start gegangen waren.

Optionsmodell hat sich bewährt

Das Experiment wurde anfangs argwöhnisch beäugt. Inzwischen ist die Skepsis breiter Zustimmung gewichen. Von 21 hessischen Landkreisen wollen 19 dem Bergsträßer Beispiel folgen – sieben mehr als in der Stunde Null im Jahr 2005. Derweil herrscht nach wie vor große Ungewissheit, was aus den ARGEs wird. In ihrer jetzigen Struktur sind sie verfassungswidrig, weil die Zuständigkeiten nicht klar geregelt sind. Damit erweist sich das Herzstück der Hartz IV-Reform als Rohrkrepierer – und nicht, wie von Kritikern vorausgesagt, das Optionsmodell.

Unbefristete Arbeitsverträge

Der Bergsträßer Sozialdezernent Thomas Metz betrachtet dies mit Genugtuung – auch mit Blick auf die 150 Mitarbeiter im Eigenbetrieb “Neue Wege”. Mehr als 80 Prozent von ihnen haben befristete Arbeitsverträge. Das wird sich nun ändern, freut sich Metz über das “richtige Signal”, das der hessische Sozialminister in dieser Woche gesetzt hat. Grundlage dafür ist die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und FDP auf Bundesebene.

Die SPD sagt noch Nein

Auch der Kreistag bekennt sich mehrheitlich zur unbefristeten Fortsetzung des eingeschlagenen Weges. Das oberste Beschlussorgan hat den Kreisausschuss beauftragt, im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung die “Entfristung” des Optionsmodells zu erwirken und die Voraussetzungen für die dauerhafte Wahrnehmung der Aufgaben aus einer Hand zu schaffen. Im Klartext bedeutet das Verwaltungsdeutsch: Der Eigenbetrieb “Neue Wege” ist und bleibt die Anlaufstelle für Hartz IV-Empfänger. Lediglich die SPD wollte sich im Kreistag noch nicht darauf festlegen.

7922 Familien leben von Hartz IV

Im November bezogen kreisweit rund 16 000 Personen in 7922 Familien Geld zum Lebensunterhalt von Vater Staat. Gegenüber dem Dezember 2008 ist damit ein Anstieg von weniger als einem Prozent zu verzeichnen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ging im gleichen Zeitraum sogar geringfügig zurück – von 5155 auf 5014. Das entspricht einer Quote von 3,6 Prozent. Für 2010 rechnen Dezernent Metz und sein Betriebsleiter Rainer Burelbach allerdings mit einem Anstieg.

112 Fallmanager, eine Philosophie

Ein deutlicher Indikator dafür ist, dass die Gesamt-Arbeitslosenquote auf 6,8 Prozent angewachsen ist. Wer heute noch Arbeitslosengeld bezieht, landet – sofern er zwischenzeitlich keinen neuen Job findet – nach zwölf Monaten automatisch in der Arbeitslosenhilfe und muss dann mit dem Existenzminimum auskommen. Damit dieser Zustand nicht von Dauer ist, hat der Eigenbetrieb “Neue Wege” ein Paket mit Förderinstrumenten geschnürt. 112 Fallmanager kümmern sich darum, dass die Grundphilosophie von den Beziehern von Arbeitslosengeld II vom ersten Tag verinnerlicht wird: Ihr “Job” ist es, Arbeit zu finden. “Neue Wege” hilft ihnen dabei.

Einstiegsoffensive für alle

Obligatorisch für alle ist die Einstiegsoffensive. Sie verpflichtet dazu, zwei Monate lang an vier Tagen in der Woche in je dreistündiger Gruppenarbeit in den vier Jobcentern die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Zwei Fallmanager kümmern sich um jeweils 20 “Neuankömmlinge” – von der Sichtung von Jobangeboten bis zur Unterstützung bei Bewerbungsschreiben.

Vielfältige individuelle Hilfen

Manchmal muss sich erst einmal grundsätzlich etwas ändern. Wer zum Beispiel Alkoholprobleme oder sich einen Schuldenberg aufgehalst hat, darf ebenso Hilfe erwarten wie Alleinerziehende bei der Organisation der Kinderbetreuung oder Migranten bei der Sprachförderung.

Bergsträßer Anzeiger
18. Dezember 2009

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