Neue Intensivbetreuung für Langzeitarbeitslose/ Einstiegsoffensive jetzt kreisweit

Arbeitslose gehen jetzt in die Offensive

Wer im Jobcenter Ried Arbeitslosengeld II beantragt, muss sich acht Wochen lang in einer Gruppe um eine Stelle bemühen

Südhessen Morgen vom 13.02.2009
Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Becker

Lampertheim/Bürstadt. Die Wände sind frisch in hoffnungsfrohem Grün gestrichen, Kaffee steht bereit, auf den Computerbildschirmen erscheint alle 20 Sekunden eine neue Stellenanzeige. Der freundlich eingerichtete Raum im Jobcenter Ried ist seit Januar gewissermaßen der Arbeitsplatz für alle, die einen Antrag auf Arbeitslosengeld (ALG) II stellen.
Denn der Eigenbetrieb Neue Wege des Kreises Bergstraße hat nach Heppenheim und Viernheim auch in Bürstadt die “Einstiegsoffensive” gestartet: Jeder ALG II-Empfänger muss acht Wochen lang an vier Tagen pro Woche drei Stunden lang hier erscheinen. In einer, langfristig zwei losen Gruppen sollen je 20 Arbeitslose selbstständig Stellenangebote sichten, Bewerbungen schreiben oder sich auf das nächste Vorstellungsgespräch vorbereiten. Unterstützt werden sie von zwei Beratern. “Das Motto lautet, Ihr Job ist es, Arbeit zu finden’”, sagt Thomas Metz (CDU), der Erste Kreisbeigeordnete. Rainer Burelbach, Betriebsleiter der Neuen Wege, der zwei zusätzliche Mitarbeiter bewilligt bekam, ergänzt: “Die Grundphilosophie ist: Jeder soll erkennen, dass er sich selbst helfen kann und dabei nicht alleine ist.” Die Verantwortlichen sind überzeugt, dass bei dem Konzept – mit dem 2008 in Heppenheim rund 50 Prozent der Teilnehmer eine Stelle fanden – nicht nur das Fordern, sondern vor allem das Fördern gestärkt wird.

Selbstwertgefühl am Boden
“Es geht oft um Menschen, die noch nie eine Stelle hatten oder lange arbeitslos sind”, sagt Metz. “Deren Selbstwertgefühl ist am Boden.” Von zu Hause raus kommen, ein geregelter Wochenablauf, Kommunikation in angenehmer Atmosphäre – “wir müssen die Leute erst mal wieder aufbauen.” Durch die Intensität der Betreuung könne ein Vertrauensverhältnis entstehen, so dass die Berater auch eher erführen, welche zusätzlichen Angebote notwendig seien – etwa eine Schuldner- oder Drogenberatung. “Das funktioniert nicht, wenn man alle paar Wochen mal ins Amt kommt”, sagt Metz. Auch von der Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe verspricht sich das Job-Center viel. “Die Jüngeren helfen den Älteren am Computer, und die geben den Jungen Tipps aus dem Arbeitsleben”, erklärt Burelbach. “Außerdem wissen wir, dass die meisten Arbeitslosen nicht über Anzeigen, sondern über Netzwerke einen Job finden.” Schließlich sollen es auch die Arbeitgeber der Region leichter haben, sich vorzustellen.

Begrenzte Gruppendynamik
“95 Prozent sehen die Offensive spätestens nach dem zweiten Tag als Chance”, erzählt Beraterin Cosima Schmitt. Eine 41-Jährige, die eine Arbeit in der Produktion sucht, ist nach den ersten Wochen zufrieden: “Man bekommt viel geboten.” Die Gruppendynamik funktioniere allerdings nur in Grenzen, meint ein 46-jähriger Drucktechniker: “Die meisten wollen für sich bleiben.” Deshalb würde er sich über einen zusätzlichen Gesprächskreis mit denjenigen freuen, die Erfahrungen austauschen wollen. “Denn nach vier Tagen am Computer hat man irgendwann ein Brett vorm Kopf.”

Südhessen Morgen
13. Februar 2009

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