„win-win-Situation“ für Unternehmen und Arbeitssuchende

Teilhabechancengesetz als Perspektive für Langzeitarbeitslose

Kreis Bergstraße (kb). Vor allem für Menschen, die bereits sehr lange auf Arbeitssuche sind, gestaltet sich der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt schwierig. Um diesen Menschen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu bieten, ist Anfang 2019 das Teilhabechancengesetz (§16i ‚Teilhabe am Arbeitsmarkt‘, §16e ‚Eingliederung von Langzeitarbeitslosen‘ des zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II)) in Kraft getreten und im Kreis Bergstraße umgesetzt worden. Diese Förderungen betreffen dabei zwei unterschiedliche Zielgruppen, die abhängig von Faktoren wie etwa dem Alter und der Dauer der Arbeitslosigkeit bestimmt werden. An der Förderung nach § 16e ‚Eingliederung von Langzeitarbeitslosen‘ können Personen teilnehmen, die unter anderem mindestens zwei Jahre ohne Arbeit sind. Menschen, die unter anderem für mindestens sechs Jahre in den letzten sieben Jahren Arbeitslosengeld II bezogen haben und in dieser Zeit nicht beschäftigt waren, können von §16i ‚Teilhabe am Arbeitsmarkt‘ profitieren.

Bei beiden Förderungen werden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Voll- und Teilzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, bei kommunalen Unternehmen und bei Trägern gefördert. Die jeweilige Förderung beinhaltet eine ausgiebige Betreuung sowie individuelle Beratung und Unterstützung der Arbeitsuchenden. Den Teilnehmenden wird zudem ein Coach zur Seite gestellt, um den Wiedereinstieg bestmöglich zu begleiten und so die Übernahme in eine ungeförderte Anstellung zu unterstützen.

Die Arbeitgeber erhalten im Gegenzug eine finanzielle Unterstützung durch das kommunale Jobcenter Neue Wege in Form von Lohnkostenzuschüssen, wenn sie Personen dieser Zielgruppen einstellen. Die Höhe der Unterstützung richtet sich nach den vertraglichen Bedingungen des Arbeitgebers. Bei einer Förderung nach §16i ,Teilhabe am Arbeitsmarkt‘ ist ein Zuschuss von bis zu 100 Prozent des Mindestlohnes für zwei Jahre möglich und verringert sich nach dieser Zeit um zehn Prozent pro Jahr. Insgesamt kann die Förderung für fünf Jahre bewilligt werden.

„Von den Maßnahmen des Teilhabechancengesetzes profitieren nicht nur die Arbeitssuchenden, sondern auch unsere Bergsträßer Wirtschaft. Eine echte ‚win-win-Situation‘ für alle Beteiligten“, freut sich Landrat Christian Engelhardt. Die Erste Kreisbeigeordnete und für den Eigenbetrieb Neue Wege zuständige Dezernentin Diana Stolz lobt: „Die Umsetzung des Gesetzes ist gut angelaufen und wir verzeichnen Erfolge. Ich freue mich sehr, dass wir, Hand in Hand mit Bergsträßer Unternehmen, Menschen, die lange Zeit ohne berufliche Beschäftigung waren, gezielt Perspektiven in der Arbeitswelt bieten können.“

Die Bilanz kann sich durchaus sehen lassen: Seit dem Start der Förderung im Jahr 2019 haben alleine 60 Arbeitgeber das Förderinstrument nach §16e ‚Eingliederung von Langzeitarbeitslosen‘ bewilligt bekommen. Für das Förderinstrument nach §16i ‚Teilhabe am Arbeitsmarkt‘, haben insgesamt 49 Arbeitgeber die Förderung beansprucht. Auch das Interesse bei den Arbeitssuchenden ist groß. So haben im Jahr 2021 im Kreis Bergstraße insgesamt 137 Personen, die ALG II beziehen, an den angebotenen Maßnahmen nach dem Teilhabechancengesetz teilgenommen. Und das mit Erfolg. Denn: Die Übernahmequote der Teilnehmenden von den geförderten Betrieben liegt bisher bei §16e ‚Eingliederung von Langzeitarbeitslosen‘, bei rund 46 Prozent und bei §16i ‚Teilhabe am Arbeitsmarkt‘‚ bei circa 50 Prozent. Dank der Fördermaßnahmen konnten insgesamt 73 Prozent der Teilnehmenden, deren Förderung 2021 regulär endete, in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse vermittelt werden. In Anbetracht der oftmals sehr lang voran gegangenen Arbeitslosigkeit stellen diese Förderinstrumente ganz neue Perspektiven für die Teilnehmenden dar.

Arbeitsmarkt relativ robust, doch Fachkräftemangel trübt Ausblick

Farbige Strichmännchen: Jemanden auf seine Seite ziehen / Mitar

 

Kreis Bergstraße (kb). Im Juli waren im Kreis Bergstraße 5.560 arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vormonat ist die Zahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen um 338 Personen beziehungsweise um 6,5 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Arbeitslosenzahl um 2,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen lag bei 3,8 Prozent (Vorjahr: 3,7 Prozent). Zum Vergleich: Für Hessen insgesamt liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 4,9 Prozent, deutschlandweit bei 5,4 Prozent.

„Der Bergsträßer Arbeitsmarkt zeigt sich aktuell zwar relativ robust, doch die mögliche positive Entwicklung zahlreicher Unternehmen wird bereits durch einen Fachkräftemangel ausgebremst“, stellt Landrat Christian Engelhardt heraus. „Dieser Mangel an Fach- und Arbeitskräften wird in den kommenden Jahren ein sehr drängendes Problem unserer Gesellschaft sein, das wir mit Hilfe konzertierter Maßnahmen in den Griff bekommen müssen.“ Aktuell sei es zum Beispiel bereits für Hotellerie- und Gastronomiebetriebe sehr schwierig, ausreichend geeignetes Personal zu finden. Dies läge unter anderem an einer Abwanderung des Personals in andere Berufe. Diese Einschätzung bestätigten kürzlich auch Christine Friedrich (Geschäftsführerin Dehoga Südhessen) und Ulrich Kagermeier (Vorsitzender des Kreisverbandes Bergstraße der Dehoga) bei einem Treffen mit dem Landrat. Es stünde zu befürchten, dass viele Betreiber infolge des Fachkräftemangels ihre Hotel- und Gastronomie-Betriebe in den kommenden Jahren schließen werden, so die Experten. Die hätte gravierende Folgen für die Region.

Landrat Christian Engelhardt: „Der Kreis Bergstraße und die Gemeinden werden alles daransetzen, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass der Fachkräftemangel in unserem Kreis so gering wie möglich ausfällt – zum Beispiel auch dadurch, dass wir die hohe Lebensqualität hier erhalten beziehungsweise noch weiter steigern. Hier werden wir uns insbesondere dem Thema Wohnraum sowie der Optimierung der Angebote im Bereich Schule, Betreuung und Kultur widmen.“

Eine weitere Lösungsmöglichkeit für das Problem Fachkräftemangel sei die Automatisierung, so der Landrat. „Die Automatisierung sollte endlich ihren Schrecken als vermeintlicher Arbeitsplatzkiller verlieren“, betont Engelhardt. „Sie ist auch angesichts des demografischen Wandels ein guter Baustein, um die menschlichen Fachkräfte zu entlasten. Deshalb sollte Sie forciert werden! Die Automatisierung in den Bereichen wie sie möglich ist, schafft die Chance, dass in Fachbereichen wo menschliche Arbeitskräfte zwingend sind, wie der Pflege oder der Erziehung, weiter genug Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Zudem müssen wir verstärkt eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften in die Branchen ermöglichen, in denen sie gebraucht werden.“

Lfd. Nr. 233 / 2022