Ohne die Älteren geht es nicht

Demografischer Wandel – Vortrag von Winfried Kösters bei der Initiative „Pro Arbeit 50 Plus“ in Lorsch

LORSCH.
Was verbirgt sich hinter dem demografischen Wandel, und wie wirkt er sich auf eine Gesellschaft aus? Unter dem Dach des Eigenbetriebs Neue Wege Kreis Bergstraße bemühen sich die Mitarbeiter der Initiative „Pro Arbeit 50 Plus“ gezielt darum, ältere Menschen in sozialversicherungspflichtige Jobs zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund hatten die Verantwortlichen am Dienstagabend zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion nach Lorsch eingeladen.
Referent war Winfried Kösters, freier Journalist und Berater der Bundesregierung in sozialpolitischen Fragen. Über den demografischen Wandel hat er ein Sachbuch geschrieben: „Weniger, bunter, älter“. Diese Worte markieren aus Kösters Sicht die Grundpfeiler einer Entwicklung, die schon jetzt spürbar sei. Denn, wie der Referent im Laufe des Abends immer wieder betonte: „Die deutsche Bevölkerung wird schrumpfen und sich in ihrer Struktur nachhaltig verändern.“
Was bedeutet das? Unter dem Titel „Mit 72 Bundespräsident? Auf die Älteren können wir in der Arbeitswelt nicht verzichten!“ diskutierten nach Kösters Vortrag Fachleute aus der Region über das Thema. „Wir können es uns nicht leisten, ältere Menschen dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt auszugrenzen“, sagte der Erste Kreisbeigeordnete Thomas Metz (CDU) zu Beginn.
Kösters plädierte zu Beginn seines Vortrags für eine Abkehr von der konventionellen Annahme, steigendes Alter sei am Arbeitsmarkt ein Ausschlusskriterium. „Jüngere können vielleicht schneller rennen, Ältere kennen dafür die Abkürzungen.“ Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei daher eine Herausforderung, die nicht nur die junge Generation betrifft.
Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland sei die Einbindung der Älteren in einen flexiblen Arbeitsmarkt ein zentraler Lösungsaspekt. Kösters zog einen Vergleich zwischen dem geburtenstärksten Jahrgang von 1964 mit dem aktuellen Wert von 2011. Die Geburtenrate in Deutschland habe sich in diesem Zeitraum nahezu halbiert. „Das heißt, dass nur noch jeder zweite Arbeitsplatz von Nachgeborenen besetzt werden kann, wenn die Generation von 1964 in Rente geht“, zeichnete Kösters das Bild einer fatalen Entwicklung, die schon jetzt unumkehrbar sei. Allein im Kreis Bergstraße und im Odenwaldkreis werde der Anteil der Über-Sechzigjährigen bis 2030 ungefähr 30 Prozent ausmachen. Die unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft seien absehbar, weshalb zeitnah an tragfähigen Konzepten gearbeitet werden müsse.
Wesentliche Zielgruppen zur Deckung des Fachkräftebedarfs seien heute Frauen, Einwanderer, Jugendliche ohne Schulabschluss, Menschen mit Behinderung und eben ältere Menschen. „Die Elite der Zukunft ist weiblich.“ Kösters verwies darauf, dass schon jetzt deutlich mehr Frauen Abitur machten und eine akademische Laufbahn einschlagen als Männer. Anreize, was die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf angeht, seien deshalb unumgänglich. Auch müsse der immer noch viel zu hohen Zahl von bis zu 64 000 Jugendlichen, die in Deutschland jährlich ohne Schulabschluss abgehen, gezielt entgegen gewirkt werden.

Wichtig, darin stimmten alle Beteiligten überein, sei eine effiziente Vernetzung zwischen den Unternehmen und den Kunden, die im Eigenbetrieb Neue Wege auf ihre Rückkehr in den Arbeitsmarkt vorbereitet würden. Aus dem Publikum wurde der Vorschlag geäußert, bei Bewerbungen zukünftig nur die Qualifikation und nicht Alter, Herkunft oder Geschlecht in den Mittelpunkt zu stellen. Wasser auf die Mühlen von Winfried Kösters, der die Richtung plakativ vorgab: „Ein ,Weiter so’ kann es nicht mehr geben“.

Starkenburger Echo, 18.10.2012

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