Neue Wege: Eigenbetrieb zieht Zwischenbilanz / Nachfolger von Rainer Burelbach steht noch nicht fest

Vom Jobcenter ins Heppenheimer Rathaus

Berichterstattung des Bergsträßer Anzeigers vom 19.08.2011

Bergstraße. Es war eine Zwischenbilanz des Eigenbetriebs – und die letzte Pressekonferenz mit dem bisherigen Leiter: Am 1. September zieht Rainer Burelbach vom Jobcenter ins Rathaus. Der Christdemokrat bleibt in Heppenheim und deutete gestern mehr als nur an, dass er als neuer Verwaltungschef die Zusammenarbeit zwischen der Kreisstadt und “Neue Wege” zügig verbessern will: “Es gibt eine Chance für eine engere Kooperation.”

Wie Sozialdezernent Thomas Metz gestern mitteilte, steht bislang noch kein Nachfolger als Betriebsleiter fest. “Das Auswahlverfahren läuft.” Burelbach leitet den Eigenbetrieb seit Februar 2007 und habe seither entscheidend zu einer erfolgreichen Umstrukturierung des Jobcenters beigetragen, so Metz weiter. Unter seiner Verantwortung sei eine klare Zielsetzung auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt definiert worden. Der Dezernent dankte Burelbach persönlich und im Namen des Kreises Bergstraße.

Kontinuierliche Entwicklung
In einem Rück- und Ausblick sprach der designierte Bürgermeister die aus seiner Sicht wichtigsten Maßnahmen und Entwicklungen an. Flankiert wurde Burelbach von seinem kaufmännischen Leiter Stefan Rechmann. Im Hartz-IV-Betrieb der Optionskommune sind nackte Zahlen ein Spiegel des konzeptuellen Erfolgs: Seit 2007 wurde der Anteil der Bedarfsgemeinschaften von 8392 auf heute 7294 reduziert. Betrachtet man die jüngsten “Sozialgeldempfänger”, die Kinder, so ergibt sich eine Verringerung von zirka 26 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen ist nach Auskunft von “Neue Wege” um 38 Prozent zurückgegangen, nämlich von 7500 auf 4500. “Diese Entwicklung dauert an, wir haben derzeit wenig Neuanträge”, so Rainer Burelbach. Bei den unter 25-jährigen konnten in den vergangenen viereinhalb Jahren etwa 80 Prozent der Menschen ohne Arbeit in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden.

*Bei den Älteren weniger erfreulich
Bei der Gruppe der über 55-jährigen sieht es weniger erfreulich aus. Hier sind nur geringe Erfolge nachweisbar. “Ein Bundestrend”, wie Burelbach hinzufügt. In diesem Bereich gebe es noch sehr viel zu tun. Der scheidende Betriebschef bezeichnete das als einer der größten Herausforderungen für die Zukunft. Die älteren Arbeitnehmer werden vom Eigenbetrieb seit zwei Jahren im Bundesprojekt “50 plus” versorgt.

Bei der Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt – das zentrale Ziel der Jobcenter – gehe es nach einer Delle in 2009 und 2010 wieder aufwärts. Mit 1110 Vermittlungen bilanziere “Neue Wege” nun wieder bessere Erfolge. “Die Unternehmen wollen einstellen”, betonte Rainer Burelbach – und schlug den Bogen zum Fachkräftemangel: Es sei volkswirtschaftlich ein hoher Gewinn, wenn es gelänge, wenigstens einen Teil der Langzeitarbeitslosen zu aktivieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Er rechnete den Journalisten vor, dass die Bundesregierung pro Jahr 40 Milliarden Euro bereitstellen muss, um sämtliche Ansprüche zu erfüllen, die sich aus den
Hartz-IV-Gesetzen ergeben.

Auf den eigenen Betrieb bezogen, machte er klar, dass die Maßnahmen bei verknapptem Budget noch effizienter gemacht werden müssten. Für das kommende Jahr wurden die Eingliederungsmittel von 9,5 auf knapp acht Millionen Euro gekürzt. Burelbach kann sich vorstellen, dass durch eine straffe Standardisierung künftig weniger Programme mehr Teilnehmer bedienen könnten. Auch bei den eingekauften Maßnahmen der Anbieter müsse man auf moderate Kosten achten. “Es geht nicht darum, die Finanztöpfe zu verausgaben, sondern die Mittel möglichst effizient einzusetzen”, sagte Thomas Metz.

Das war nicht immer so. In der Anfangsphase war die Arbeit des Optionsmodells von Skandalen begleitet. Es wurden öffentliche Gelder in den Sand gesetzt. Köpfe sind gerollt. “Die Fehler wurden offen kommuniziert”, so Metz darauf Bezug nehmend. Es sei damals eine schwierige Situation gewesen, eine neue Einrichtung in kürzester Zeit in Gang zu bringen. Im vergleich zu früher genieße man heute eine weitaus größere Akzeptanz im Kreisgebiet. Der Wert des kommunalen Ansatzes werde mittlerweile immer mehr erkannt.

Sinnvoller als finanzielle Hilfe
Heute würde der Eigenbetrieb zwischen 12 und 13 Millionen Euro weniger auszahlen müssen als Anfang 2007. Dies sei eine hoch erfreuliche Entwicklung und eine Entlastung der öffentlichen Kassen, so Rainer Burelbach. Die Investition in die
Fort- und Weiterbildung der Kunden sei letztlich sinnvoller als eine rein finanzielle Hilfe.

Mit Maßnahmen wie der achtwöchigen betreuten Einstiegsoffensive, der bislang über 2700 Menschen teilgenommen haben (60 Prozent davon in Arbeit vermittelt), sowie dem Arbeitgeber-Service erreiche man gute Ergebnisse und stärke darüber hinaus den Bekanntheitsgrad des Eigenbetriebs.

Thomas Metz betonte in diesem Kontext, dass die Kooperation mit den 22 Städten und Gemeinden im Kreis intensiviert werden könne. Zudem müsse man den Unternehmen im Umfeld der Optionskommune die praktischen Service-Angebote des Eigenbetriebs näher bringen. Der Dezernent blickt optimistisch in die nahe Zukunft:

Sechseinhalb Jahre “Neue Wege” an der Bergstraße hätten gezeigt, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe als strukturelle Reform zweier unterschiedlicher Leistungssysteme eine richtige Entscheidung war.

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