Arbeitsmarkt: Neue Wege hatte zum Forum eingeladen

Aus dem Bergsträßer Anzeiger vom 9. September 2009

Die Krise als Chance für “50plus”?
Bergstraße. Arbeitssuchende über 50 stellen eine besondere Herausforderung dar – denn sie weisen besondere Qualitäten, aber auch besondere Defizite auf. Wie Arbeitssuchende der Gruppe “50plus” in den Arbeitsmarkt integriert werden können und welche Perspektiven sich im Kreis Bergstraße bieten, war ein Thema des arbeitspolitischen Forums, zu dem der Hartz-IV-Eigenbetrieb des Kreises, “Neue Wege”, gestern zum sechsten Mal eingeladen hatte. Vertreter aus Politik, Arbeitsvermittlung, Verbänden und Trägern waren ins Landratsamt gekommen, um Neue Wege Anregungen zu geben.

Ein Knackpunkt für Arbeitssuchende über 50 ist das “Arbeitsmittel Computer”, wussten viele Teilnehmer zu berichten – oft bestehen hier unberechtigte Ängste, die schnell überwunden werden können. Hier, so erfuhren die Vertreter des Eigenbetriebs, kann es helfen, Beratung unter vier Augen anzubieten. Denn oft, so die Erfahrung der Arbeitsvermittler, schämen sich die “Älteren”, wenn sie am PC nicht so flink wie andere sind. Doch dies ist nicht überall der Königsweg: Wenn sich Arbeitssuchende verschiedenen Alters gemeinsam qualifizieren, kann das für die Teilnehmer auch Motivation und gegenseitige Hilfe bedeuten.

Weg von klassischen Methoden
Wie eine individuelle Begleitung aussehen kann, berichtete die stellvertretende Leiterin des Berufsbildungszentrums Bensheim, Beate Frey: “Bewerbungs- oder Gesundheitscoaching, einzeln oder in Gruppen – bei uns soll jeder das bekommen, was er benötigt”, erklärte Frey das Konzept, nach dem zunächst die unterschiedlichen Bedürfnisse erfasst werden. Vor allem bei den über 50-Jährigen müsse man weg von der klassischen Vermittlung und neue Wege beschreiten, so Frey.

Der Eigenbetrieb versucht das bereits, indem er seit Juli am Projekt “Proarbeit 50plus” des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales teilnimmt. Hierfür wurden neue Strukturen geschaffen: So gibt es unter anderem in jedem Jobcenter einen Fallmanager für die Über-50-Jährigen, vier weitere Mitarbeiter sollen bis Monatsende angestellt werden. Sie werden sich mit ganz speziellen Problemen beschäftigen: Denn Arbeitssuchende der Gruppe “50plus” leiden häufig an Depressionen, Vereinsamung oder Niedergeschlagenheit und müssen aufgebaut werden, wusste Projektmitarbeiter Bernfried Schnell zu berichten.

Ein weiterer Fokus liegt auf den Unternehmen: “Hier versuchen wir, Vorurteile aus der Welt zu schaffen – zum Beispiel, dass Arbeitnehmer über 50 öfter krank sind als jüngere”, so Schnell. Ebenso sei es wichtig, Pluspunkte darzustellen. Um zusätzlich auf “50plus” aufmerksam zu machen, seien mehr als 500 Bergsträßer Betriebe zum Wettbewerb “Unternehmen mit Weitblick” eingeladen worden, der ebenfalls Bestandteil des Bundesprogramms ist.

Der Vorsitzende der Betriebskommission, Thomas Metz, und Betriebsleiter Rainer Burelbach berichteten im Forum, wie Neue Wege in den Unternehmen ein besseres Verständnis für “50plus”-Arbeitssuchende erreichen will. Zum einen gehe man bei der Vermittlung bewerberzentriert vor: “Wir versuchen nicht vorrangig, freie Stellen zu akquirieren, auf die sich Arbeitssuchende dann bewerben müssen, sondern nehmen die Bewerber an die Hand und suchen nach geeigneten Stellen”, so Burelbach.

Zum anderen – und das nehme der Eigenbetrieb aus dem Forum als Anregung mit – wolle man Arbeitgeber künftig noch stärker für die Belange der Über-50-Jährigen sensibilisieren, sagte Metz.

Man müsse den Weg in die Köpfe und Herzen der Unternehmen finden, so Albert Herrmann von der Betriebskommission. “Vielleicht bietet sich ja gerade jetzt, in Zeiten der Krise, die Möglichkeit, innezuhalten und über Werte nachzudenken. Da könnten die Älteren eine wesentliche Rolle spielen”, so Herrmann.

Daneben diskutierten die Teilnehmer die Zukunft des Bergsträßer Arbeitsmarktes. Energie und Gastronomie bieten Perspektiven, kristallisierte sich heraus. Für Neue Wege könne das bedeuten, künftig stärker auf Umschulung zu setzen, so Betriebsleiter Burelbach.

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